Der sächsische Weg

Der sächsische Weg

25 Jahre CDU-Regierungen haben auch demokratiepolitisch Spuren hinterlassen: eine starke Staatsorientierung und wenig bürgerschaftliches Engagement prägen Sachsen. Die Handlungsfreiheit in den Kommunen ist eingeschränkt.

Wenn eine Partei in einem Bundesland über 25 Jahre stets zwischen 39 und 58 Prozent der Wählerstimmen erhält so wie die CDU in Sachsen, ist es zunächst einmal nur natürlich und auch demokratisch, dass diese Partei Politik und Gesellschaft in diesem Land dominiert. Dass sie diese Mehrheit ausübt und ihre politischen Ziele im Rahmen der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes umzusetzen sucht, ist legitim.

Der kritische Punkt ist, ob die Dominanz einer Partei dazu führt, dass strukturelle Hindernisse entstehen oder bewusst geschaffen werden, die einen Wechsel an der Spitze der Regierung – die Normalität im demokratischen Gemeinwesen – prinzipiell unmöglich oder sehr unwahrscheinlich werden lassen.

Die politische Kultur in Sachsen zeichnet sich durch eine starke Staatsorientierung aus. Gewiss wären ohne staatliche Förderung Wirtschaft und Wissenschaft nach den Umbrüchen nicht so zügig wieder auf die Beine gekommen, doch hängen sie ebenso wie weite Teile der Kulturszenen von weiterer Förderung ab. Und sei es durch die Schere im Kopf, sei es durch diskrete Hinweise aus dem Führungskreis des Staats- oder Parteiapparats, verzichten Akteurinnen und Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft oder Kultur oft auf kritische Äußerungen gegenüber der Staatsregierung.

Lediglich über die Aussagen ehemaliger Akteurinnen und Akteure kann man das Ausmaß der subtilen Kontrolle erahnen.[1] 2014 legte die CDU-geführte sächsische Staatsregierung die Landtagswahl bewusst auf den letzten Tag der Sommerferien – ein effektiver Wahlkampf mit einem Gegenüber von Konzepten und Meinungen war damit ausgebremst.

Kern der ökonomischen Leistungskraft und der kulturellen Ausstrahlung Sachsens sind die Großstädte und industriellen Kerne Dresden, Leipzig, Chemnitz und Zwickau. Entgegen der Selbstwahrnehmung hat sich die Gesellschaft in Ostdeutschland und gerade in Sachsen in wenigen Jahren stark fragmentiert hinsichtlich ihrer Lebensentwürfe, ihres sozio-ökonomischen Status, ihrer kulturellen Vorlieben und nicht zuletzt ihrer politischen Überzeugungen.

Gleichwohl wird von Staatsregierung und dominierender Partei die Fiktion eines homogenen Sachsen gepflegt, symbolisiert einerseits in der Glorifizierung der sächsischen Ingenieurskunst und andererseits in der Architektur und den Kunstschätzen, die sich vorwiegend in den Kunstsammlungen in der alten Fürstenresidenz Dresden befinden. Die Selbstbeweihräucherung findet alljährlich beim „Tag der Sachsen“, einem zweitägigen Volksfest im September an wechselnden Orten – meist Klein- oder Mittelstädten –  einen Höhepunkt.

Verschuldete Kommunen

Über die Wirtschaftspolitik der Regierungen Biedenkopf nach dem Umbruch der friedlichen Revolution, die sich im Kern einer Strategie der Leuchtturmregionen Dresden, Leipzig und Chemnitz/Zwickau verschrieb, kann man geteilter Meinung sein. Punktuelle Erfolge sind zweifellos erkennbar, allerdings zu einem Preis: Während Wirtschaft, kulturelles Leben und Bevölkerungszahl in den größeren Städten boomen, gibt es jenseits der Städte und ihrer unmittelbaren Speckgürtel überwiegend Stagnation und Rückgang.

Dies hat zur Folge, dass öffentliche Infrastruktur in Form von Schulen, Kitas, Straßen, Gesundheitsversorgung, öffentlicher Ver- und Entsorgung, sozialer und kultureller Einrichtungen auf dem Lande zurückgefahren werden – mit dem damit verbundenen Teufelskreis, dass immer mehr Menschen aufgrund sich weiter verschlechternder öffentlicher und privater Infrastruktur und Job-Chancen diese Regionen verlassen, umgekehrt aber auch keine hinreichenden Anreize zur Entwicklung zukunftsträchtiger Branchen gegeben werden. Am deutlichsten wird dies beim Festhalten an der Braunkohle in der Lausitz und der Subvention der Tiermastfabriken in Nordsachsen.

Umgekehrt müssen in den Ballungszentren die genannten Einrichtungen der Infrastruktur mit erheblichem Aufwand und Kosten erweitert, neu gebaut bzw. eingerichtet werden. Analoge Entwicklungen im Bereich der Privatwirtschaft (Handel und Gewerbe, Kleinindustrie, Immobilienwirtschaft) und Zivilgesellschaft sind unvermeidbar. Junge Leute mit guten Perspektiven verlassen die ländlichen Regionen und gehen zu Ausbildung, Studium und Berufsanfang genau in die Boomstädte, tragen dort zu Bevölkerungswachstum, zu Belebung, aber – ungewollt – auch zur Verschärfung des Wohnungsmarkts bei. Während diese jungen Leute mit guter Ausbildung, Kreativität und Engagementbereitschaft die Städte zweifellos bereichern, fehlen sie genau in ihren Herkunftsregionen.

Das hat Folgen für die Demokratie, weil in den ländlichen Regionen klassische Trägerinnen und Träger zivilgesellschaftlichen Engagements, nämlich gebildete, flexible und motivierte Menschen, fehlen. Mit der jüngsten Initiative der sächsischen Staatsregierung, Medizin- und Lehramtsstudenten ein monatliches Stipendium von bis zu 1000 Euro gegen die Zusicherung, später auf dem Land tätig zu werden, zu geben, wird an der sich verschlechternden Attraktivität der Regionen nichts geändert – mit staatlichem Dirigismus wird allerdings lediglich an Symptomen herumgedoktert.

Während sich der Freistaat Sachsen damit brüstet, weitgehend schuldenfrei zu arbeiten, sind viele sächsische Kommunen verschuldet, was dazu führt, dass ihre Etats regelmäßig der Genehmigung durch Landratsämter und bei größeren Städten durch die dem Innenministerium direkt unterstellte Landesdirektion bedürfen. Aufgrund ihrer Finanzknappheit sind die Kommunen zu einem sehr starken Ausmaß auf Fördermittel des Landes, des Bundes und der EU angewiesen, sodass die knappen Finanzmittel zuallererst als Eigenmittel zur Kofinanzierung von Fördermitteln verwendet werden.

Weil sie auch erheblichen Einfluss darauf hat, welche Vorhaben durch Bundes- und EU-Mittel gefördert werden, verfügt die Landesebene insgesamt über eine breite Palette zur politischen Steuerung der Kommunalpolitik. Die Regionen bekommen nicht die Mittel, um selbstbestimmt und mit eigener Kreativität ihre Zukunftsperspektiven zu entwickeln, sondern hängen dauerhaft am Tropf der Ministerialverwaltungen. Die Handlungsfreiheit der Kommunen und die kommunale Demokratie in Sachsen sind damit jedenfalls strukturell erheblich eingeschränkt.

Im Visier des Verfassungsschutzes

Der Diskurs über gesellschaftliche Probleme und Fragen war in Sachsen politisch nicht gewollt. Hier gilt die Leitlinie, dass das Gemeinwesen sich vordergründig über wirtschaftliche Erfolge definiert. Politik wird dabei hauptsächlich über ihren Output legitimiert und deutlich weniger über demokratische Verfahren der Partizipation. Die Opposition  zielte dagegen darauf, Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen zu bessern, etwa über die Einführung der Ortschaftsverfassung auch für Städte, d.h. insbesondere die Stärkung der Ortsbeiräte (Stadtbezirksbeiräte) mit eigenen Entscheidungsbefugnissen.Tatsächlich steht in Dresden nach einem entsprechenden Stadtratsbeschluss die Einrichtung gewählter Ortsbeiräte bevor; die anfangs seitens der CDU und der Kommunalaufsicht geäußerten juristischen Bedenken fielen in sich zusammen.

Weitere – leider erfolglose - Initiativen gingen in die Richtung, die Quoren für Bürgerbegehren und Volksentscheide zu senken und das Antreten von Wählervereinigungen bei Landtagswahlen zu ermöglichen. Auf kommunaler Ebene wurde in mehreren Städten versucht, Elemente von Bürgerhaushaltsverfahren zu initiieren.

Der sächsische Freistaat mit unzähligen Firmen, die – sei es direkt über Bürgschaften oder über unendlich viele Freundschaftsnetzwerke – mit dem Staat und dessen Repräsentanten verbandelt waren, konnte sich dank großzügiger Förderpolitik und zugegebenermaßen ziemlich eiserner Haushaltsdisziplin vor allem gegenüber den darbenden Kommunen wirtschaftlich eine Weile recht ordentlich entwickeln – die gesellschaftlichen Probleme blieben aber außerhalb der Diskussion, Kritikerinnen und Kritiker wurden gerne mal als Investitionshemmnis oder Krakeeler beschimpft. Opposition war unerwünscht, selbst die allzu brave Grüne Jugend geriet ob ihres Anti-Atom-Engagements ins Visier des Verfassungsschutzes, während gleichzeitig Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in den NSU untertauchten und – unbehindert von Verfassungsschutz und Polizei – ihre Mordtaten vorbereiteten.

Demonstrationen im öffentlichen Raum, ob gegen Autobahn- oder Brückenbau an der falschen Stelle, gegen Sozialabbau, gegen Schul- oder Kitaschließungen, aber auch die seit Mitte der 1990er wachsenden Neonazidemonstrationen waren unerwünscht und wurden, so blieb der Eindruck, nur deshalb nicht kurzerhand verboten, weil es die vom fernen Grundgesetz garantierte Versammlungsfreiheit gab. Besonders die Neonazidemonstrationen wie die der NPD hätte man (da bestand dann eine bemerkenswerte Einigkeit mit den auf letztlich ähnliche Weise staatsorientierten SED-Nachfolgern) gerne einfach verboten und damit schlicht und einfach wegdefiniert. Biedenkopf trieb diese Haltung mit dem Satz auf die Spitze: „Die Sachsen sind immun gegen Rechtsextremismus“.

Die Mitte spart sich eine kritische Auseinandersetzung

Den wachsenden Teilnehmerzahlen an Demonstrationen von Neonazis vermochte der Staat Sachsen so nichts entgegenzusetzen. Es waren erst die zivilgesellschaftlichen Initiativen bis hin zur Antifa, die mit friedlichen Demonstrationen und Blockaden die rechtsradikalen Demonstrationen rund um den 13. Februar weitgehend verdrängen konnten. Angehörige dieser Initiativen sahen sich ihrerseits der Strafverfolgung ausgesetzt; sie wurden gar beschuldigt, das eigentliche Problem zu sein. Zivilgesellschaftliche Initiativen, die in Genuss der eher sparsamen Landesförderung für Weltoffenheit kommen wollten, mussten bis 2015 auch von ihren Kooperationspartnerinnen und -partnern ein formales Bekenntnis zum Staat schriftlich vorlegen. Dies galt auch dann, wenn es sich um Opfer nationalsozialistischer Verfolgung handelte.

Ziel der neuen, alten Staatspartei CDU war es, den „Totalitarismus der SED“ mit dem Nationalsozialismus auf eine Stufe zu stellen, um sich selbst vom SED-Staat abzugrenzen, obwohl führende Unionsleute der Gegenwart schon im SED-Staat Funktionen ausfüllten, wenn auch eher unbedeutende in der Provinz. Bei aller notwendigen Kritik am Stalinismus und am DDR-System, auch bei aller Notwendigkeit, hinsichtlich bestimmter totalitärer Mechanismen empirisch gesättigte und wissenschaftlich fundierte Vergleiche anzustellen, mutet dieses Bestreben einer Nivellierung verharmlosend gegenüber dem Nationalsozialismus und dämonisierend hinsichtlich des SED-Staats an. Im Nach-Vereinigungs-Diskurs freilich wirkte diese Nivellierung auch auf die politischen Erben:

Vor allem einige sächsische Wissenschaftler untersetzten diese Intention mit einer eigenen „Extremismustheorie“, nach der es ganz links und ganz rechts nicht-demokratische Extreme gäbe, ganz rechts NPD und freie Neonazis, ganz links PDS bzw. Linkspartei und Antifa. Nach diesem Modell ist die Mitte das „Normale“, das sich – in der Praxis freilich vor allem deklaratorisch – von den Extremen absetzt.

Der eigentlich als Dämonisierung gemeinte, bei vielen Christdemokraten immer noch alltägliche Gebrauch der Bezeichnung „Linksextreme“ für die Linkspartei führt nun zu einer Banalisierung und Verharmlosung des Begriffs Extremismus überhaupt und trägt dazu bei, letztendlich jegliche wirklich gefährliche Ausformung von extremistischen Strömungen zu bagatellisieren.

Mit der Stigmatisierung von Gruppen und Individuen als „rechtsextrem“ oder „linksextrem“ erspart sich eine sich selbst als solche definierende „Mitte“ eine kritische Auseinandersetzung über substanzielle Kriterien der Abgrenzung von Demokratieskeptikern und -feinden. Die Geltung von Grundrechten, des parlamentarischen Prinzips, Oppositionsrechte, Partizipationsrechte der Bürgerinnen und Bürger geriet dadurch in den Hintergrund.

Staatsnahe Justiz

Charakteristisch für die sächsische Justiz ist ihre enge Verflechtung mit der Exekutive. Erfolgreiche Kandidatinnen und Kandidaten bei Beförderungen für höhere Ämter in Justiz und Staatsanwaltschaft haben häufig intensive Zeiten im Justizministerium verbracht. Gerade bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit, bei der der Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte gegenüber staatlichem Handeln einklagen können, ist dies besonders problematisch. In Sachsen ist auch die Verpflichtung künftiger Führungspersönlichkeiten der Justiz besonders ausgeprägt, „Modernisierungsbestrebungen aufgeschlossen gegenüber zu stehen und diese sowohl konstruktiv als auch initiativ zu begleiten und voranzutreiben“ - Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung und selbst ehemaliger Richter, fasste dies so zusammen: „Wer die Justizpolitik des Ministers nicht bejubelt, der hat keine Chance.“[2]

Die konservative Mehrheit im Stadtrat der Landeshauptstadt Dresden konnte die Beigeordneten von 2001 bis 2015 allein mit eigenem Personal besetzen. Das sieht der Wortlaut der sächsischen Gemeindeordnung zwar anders vor[3], aber das Sächsische Oberverwaltungsgericht billigte die Praxis. In Verbindung mit der faktischen Kontaktsperre städtischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Gemeinderäten führt dies zu erheblich erschwerten Bedingungen für Gemeinderäte, die auf das Wohlwollen der meist konservativen Verwaltungsspitze angewiesen sind.

Schlusslicht beim bürgerschaftlichen Engagement

Der Freistaat Sachsen hat in einer vergleichenden Untersuchung von Fachleuten der politischen Bildung im Vergleich der Bundesländer („Monitor politische Bildung“) mit deutlichem Abstand den letzten Platz erreicht. In dieses Ranking fliessen die Ausgaben der Bundesländer für die Landeszentralen für politische Bildung, der Stellenwert der politischen Bildung in den Studiengängen an Hochschulen, die Stundentafeln für politische Bildung in den verschiedenen Schulformen ein. Hier gilt es deutlich nachzubessern.

Auch im Bereich der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements zählt Sachsen zu den absoluten Schlusslichtern unter den Bundesländern – übrigens unabhängig von der dominierenden politischen Couleur des Bundeslandes. Gerade die von Sachsen immer wieder als Vorbild genannten Länder Baden-Württemberg und Bayern, die über die längste Zeit unionsdominiert waren bzw. sind, verfügen seit langem über Strukturen des bürgerschaftlichen Engagements, die weitgehend frei sind von staatlicher Bevormundung.

Eine Förderung von Netzwerkstrukturen des bürgerschaftlichen Engagements ist in Sachsen anders als in den anderen ostdeutschen Bundesländern bisher nicht vorgesehen.[4] So fehlt dem bürgerschaftlichen Engagement jenseits der großen Verbände und Institutionen (Gewerkschaften, Unternehmerverbände, Wohlfahrtsverbände, Kirchen usw.) effektiv die Möglichkeit zu kontinuierlicher Strukturbildung; ein erheblicher Anteil von Jugend-, Sozial- und Demokratiearbeit ist auf oftmals nur jährlich bewilligte Projektförderungen angewiesen.

In der sächsischen Verfassung haben die freien Schulen einen Stellenwert erhalten, der weit über dem Durchschnitt der anderen Bundesländer liegt. In der Ursprungszeit war dies vor allem darauf gerichtet, den Einfluss der – so war die Vermutung – noch SED-treuen Lehrerschaft in den staatlichen Schulen zu begrenzen. Doch hat sich hier in den letzten Jahren vieles stark verändert. Insbesondere in ländlichen strukturschwachen Räumen gab es dort, wo staatliche Schulen auf Anordnung der Kultusbürokratie geschlossen wurden, Initiativen zur Gründung von Schulen in freier Trägerschaft – auch mit Unterstützung kommunaler Akteurinnen und Akteure –, wodurch die diesbezüglichen Planungen der Kultusbürokratie obsolet zu werden drohten.

In Reaktion darauf wurde erstens die Gründung freier Schulen durch eine längere Wartefrist deutlich behindert, zweitens die Substanz bestehender freier Schulen durch eine deutliche Reduzierung der eigentlich von der Verfassung her garantierten Zuschüsse gefährdet. Die Oppositionsparteien konnten im November 2013 ein Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs erstreiten, das die finanzielle Gleichstellung freier Schulen mit staatlichen Schulen anordnete, seine Umsetzung steht aber aus. Die freien Schulen stehen auch deshalb unter Beobachtung der Kultusbürokratie, weil sie mit eigenen pädagogischen Ansätzen die Deutungshoheit der staatlichen Schulpolitik zu unterlaufen drohten.

Staatstreue Medien

Die sächsische Medienlandschaft ist bis in die jüngste Gegenwart vor allem gekennzeichnet von der Dominanz der ehemaligen SED-Bezirkszeitungen Freie Presse (Chemnitz), Leipziger Volkszeitung (liefert auch Mantelteil für die Dresdner Neuesten Nachrichten) und Sächsische Zeitung (Dresden) im Print-Bereich sowie dem MDR im Bereich Fernsehen und Hörfunk, der in seinem Sendegebiet eine deutlich weitere Verbreitung hat als die anderen Landesrundfunkanstalten in ihren Regionen. Auf Bundesebene spielen diese regionalen Medien eine völlig untergeordnete Rolle. Das MDR-Fernsehen liefert freilich die Beiträge für das ARD-Programm zu, und vor allem das MDR-Fernsehen war in der Vergangenheit bekannt für seine Staatsorientierung.

2011 scheiterte der Versuch nur knapp, die Besetzung des wichtigen MDR-Intendantenposten direkt aus der Dresdner Staatskanzlei zu steuern. Die seit Gründung des MDR 1991 versteinerte Zusammensetzung des Rundfunkrats, die eigentlich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag vom 25.3.2014 in Richtung auf mehr Pluralität und Staatsferne hätte verändert werden müssen, bleibt nun doch bis zur Neuwahl des Rundfunkrats im Herbst 2015 zementiert.[5] Die politisch wichtige Landesgruppe Sachsen des Rundfunkrats wird sogar direkt von der Dresdner Staatskanzlei geleitet. Es bleibt abzuwarten, ob der MDR in Zukunft eine von den Staatskanzleien der drei Länder unabhängigere Linie fahren kann. Eine gewisse Auflockerung der Medienlandschaft ist allenfalls durch die wachsende Bedeutung von Online-Medien zu erkennen.

Fazit

Die politische Kultur in Sachsen ist zwar in Bewegung. Politische Reform-Initiativen im Parlament haben allerdings nur Potenzial zur Realisierung, wenn sie in der breiteren Öffentlichkeit auf Resonanz stoßen. Solange aber in einer ohnehin als stark staatsorientiert zu charakterisierenden Gesellschaft wesentliche Akteure eng an staatliche Funktionen angebunden sind, bleiben die strukturellen Hindernisse für aus der Zivilgesellschaft oder der Opposition angestoßene Reformen größer als sie in einer liberalen Demokratie sein dürften.

 

Zum Weiterlesen:

  • Warum gerade Dresden?
    Pegida hält nicht nur die Stadt in Sachsen in Atem: Beobachtungen zu Staat, Zivilgesellschaft und politischer Kultur in Dresden.

 

[1] Der ehemalige Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Martin Roth, im Interview mit SPIEGEL online.

[2] Süddeutsche Zeitung 1.9.2006, S. 10.

[3] Sächs. Gemeindeordnung §56, 2.

[4] Thomas Olk, Thomas Gensi: Stand und Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements in Ostdeutschland. Quantitative und qualitative Befunde. Berlin: Bundesministerium des Innern, 2013, S. 170.

[5] DPA-Meldung vom 24.4.2015.

Verwandte Inhalte

  • Macht Grün den Unterschied? Demokratiereformen auf Länderebene

    Für die Belebung von Demokratie kann Politik auf Länderebene viel gestalten. Mittlerweile gibt es bündnisgrüne Regierungsbeteiligungen in acht - mit Hamburg sogar neun - Ländern. Wie viel nimmt sich Grün in diesen Landesregierungen vor? Was gelingt und wo hakt es? Eine Untersuchung.

  • Mit mehr Teilhabe gegen den Rassismus

    Im Kampf gegen Rechtsextremismus unterstützt der Bund seit 14 Jahren Programme zur Förderung der demokratischen Kultur. Mit dem Vorreiter Berlin können die Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung bisher nicht mithalten.

    By Swantje Tobiassen
  • Energiepolitische Ernüchterung im vierten Jahr Grün-Rot

    In keinem anderen Bundesland hat die Regierung bei der Energiepolitik so intensiv das Bündnis mit den Bürger/innen gesucht wie in Baden-Württemberg. Doch bei Gegenwind vom Bund kann lokale Bürgerbeteiligung wenig ausrichten.

    By Elisabeth Kiderlen

0 Kommentare

Neuen Kommentar schreiben

Neuen Kommentar schreiben